Abschluss der Entschädigung für zivile Zwangsarbeiter
Meldung 29.09.2020
Beauftragter Fabritius würdigt historische Bedeutung
Im November 2015 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, das persönliche Schicksal derjenigen Deutschen, die als Zivilisten aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit oder Volkszugehörigkeit während oder nach dem Zweiten Weltkrieg für eine ausländische Macht Zwangsarbeit leisten mussten, mit einer einmaligen, symbolischen Anerkennungsleistung in Höhe von 2.500 Euro zu würdigen. Im Bundesministerium des Innern wurde in enger Kooperation mit Vertriebenenverbänden und Fachhistorikern die sogenannte ADZ-Richtlinie entworfen, die nach Zustimmung durch den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zum 1. August 2016 in Kraft trat. Anträge konnten bis zum 31.12.2017 (Ausschlussfrist) gestellt werden.
Prof. Dr. Fabritius bei der Übergabe des ersten symbolischen Anerkennungsbescheides (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster)
Quelle: BMI
Prof. Dr. Fabritius bei der Übergabe des ersten symbolischen Anerkennungsbescheides an Elisabeth Till im September 2016 mit dem damaligen Beauftragten Hartmut Koschyk, MdB, dem Vorsitzenden der Gruppe der Aussiedler, Vertriebenen und deutschen Minderheiten der Unionsfraktion, Klaus Brähmig, MdB, sowie Mitarbeitern des BVA und des BMI
Mit großer Empathie für das besonders schwere Schicksal der Betroffenen hat das für die Bearbeitung der Anträge zuständige Bundesverwaltungsamt (BVA) die rund 46.000 Anträge innerhalb von etwa vier Jahren bearbeitet. Besondere Eile bei der Antragsbearbeitung war auf Grund des hohen Alters der Antragsteller geboten: Etwa 90 % der Antragsteller waren 80 Jahre und älter. Es wurden über 54.000 Anfragen und Ersuchen nach Hilfe bei der Antragsstellung im zuständigen BVA verzeichnet. Am 14.9.2020 konnten letztlich symbolisch die beiden letzten Anerkennungsbescheide an ein betroffenes Ehepaar ausgehändigt werden.
Insgesamt wurden 83 % der Anträge positiv beschieden. Die meisten Ablehnungen mussten wegen Überschreiten der zweijährigen Antragsfrist ausgesprochen werden. Die Mehrzahl der Antragssteller lebt im heutigen Bundesgebiet; Frauen überwiegen deutlich. Es wurden insgesamt Anerkennungsleistungen in Höhe von annähernd 97 Mio. EUR gewährt.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, hat bereits in seinem Ehrenamt als Präsident des Bundes der Vertriebenen und dann als Abgeordneter des Deutschen Bundestages die Zwangsarbeiterentschädigung politisch mit initiiert und an der Durchsetzung und Ausgestaltung mitgewirkt. Als Bundesbeauftragter hat Fabritius die Umsetzung des Entschädigungsverfahrens intensiv politisch begleitet.
ADZ-Projektgruppenleiterin Maria Dierkes erläutert dem Bundesbeauftragten vor Ort den Antragseingang eines Monats (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster)
Quelle: BMI
ADZ-Projektgruppenleiterin Maria Dierkes erläutert dem Bundesbeauftragten vor Ort den Antragseingang eines Monats bei einem Besuch der Projektgruppe ADZ im Juli 2018
Beauftragter Fabritius: "Die Entschädigung für zivile Zwangsarbeiter war niemals als Kompensation des schweren Schicksals als ziviler Zwangsarbeiter gedacht. Die Kompensation eines solchen Biographiebruches wäre gar nicht möglich gewesen. Vielmehr sollte sie eine Anerkennung des Sonderopfers durch die Bundesrepublik Deutschland und so ein Beitrag zur Versöhnung der Betroffenen mit dem eigenen Schicksal bewirken. Vielen war diese Anerkennung wichtiger, als der bescheidene Betrag der Anerkennungsleistung. Die unerwartet hohe Zahl der Antragsstellungen und bewilligten Anträge belegt, dass zivile Zwangsarbeit leider ein verbreitetes Phänomen war und es dieser Anerkennungsleitung bedurfte. Dadurch wurde dieser Opferkreis auch in den Blickpunkt unserer Gesellschaft gerückt.
Es gebührt all jenen Dank, die mit langem Atem und viel Engagement an der Entstehung der sogenannten ADZ-Richtlinie beteiligt waren, darunter insbesondere den Vertriebenenverbänden, der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutsche Minderheiten in der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und den fachkundigen Mitarbeitern des Bundesministeriums des Innern. Auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BVA, die mit außergewöhnlich hoher Empathie und Ressourceneinsatz die vielen Anträge, Anrufe und Fragen hoch betagter Menschen entgegengenommen haben, gebührt mein großer Dank.
Beauftragter Fabritius beim Besuch der Projektgruppe ADZ des BVA in der BVA-Außenstelle Hamm im Juli 2018 (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster)
Quelle: BMI
Beauftragter Fabritius beim Besuch der Projektgruppe ADZ des BVA in der BVA-Außenstelle Hamm im Juli 2018
Am meisten jedoch möchte ich mich bei den vielen Betroffenen bedanken: Sie haben teilweise nach Jahrzehnten erstmals über das sprechen können, was sie alleine aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit erleben mussten. Auch in meiner Familie gab es solche Fälle und mir ist bewusst, wie bleischwer sich solche Erfahrungen auf das weitere Leben legen können. Für die unermessliche Geduld aller Betroffenen – die Entschädigungsleistung wurde teilweise mehr als 75 Jahre nach den anzuerkennenden Verfolgungen gewährt – möchte ich diesen im Namen der Bundesregierung meinen tief empfundenen Dank aussprechen!
Ich setze mich künftig dafür ein, dass die vielen eingereichten Dokumente und Schilderungen der zivilen Zwangsarbeit, die in den Akten des BVA enthalten sind, als Zeitzeugendokumente in angemessener Weise aufbewahrt und für Wissenschaft und Forschung zugänglich gemacht werden. So soll dieses dokumentarische Vermächtnis kommenden Generationen als mahnendes Zeugnis für das Unrecht der Zwangsarbeit dienen und hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, dass sich Derartiges in Zukunft nie wieder ereignet."