Beistand der Bundesregierung für die deutsche Minderheit in Polen
Meldung 10.02.2022
Fabritius stellt falsche Entscheidungsgrundlagen richtig und fordert Korrektur der Diskriminierungsverordnung
Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, ist aus Anlass neuer restriktiver Maßnahmen der polnischen Regierung gegenüber der deutschen Minderheit zu Gesprächen nach Oppeln gereist. Der Bundesbeauftragte hat während der geführten Gespräche der deutschen Minderheit in Polen den uneingeschränkten Beistand der Bundesregierung versichert und gleichzeitig die polnischen Entscheidungsträger zu einer Korrektur der diskriminierenden, minderheitenpolitischen Restriktionen aufgefordert.
Die polnische Regierung hatte die einseitigen, nur für Schüler der deutschen Minderheit eingeführten Einschränkungen im Bildungswesen damit begründet, dass in Deutschland keinerlei Förderung des muttersprachlichen Unterrichtes erfolge. Diese Annahme bezeichnete Fabritius als schlicht unzutreffend und informierte in einer ausführlichen Pressekonferenz über den Sachstand des Polnischunterrichtes in Deutschland. Gleichzeitig bedauerte Fabritius, dass Polen die bestehenden Dialogformate gerade dreißig Jahre nach Abschluss des bilateralen Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Beziehungen vom 17.6.1991 (Freundschaftsvertrag) nicht zu Konsultationen genutzt habe, bevor eine derart diskriminierende Entscheidung gegen eigene Bürger getroffen worden sei. Dieser Dialog hätte die Möglichkeit geboten, auf die Fehlerhaftigkeit der angenommenen Ausgangslage hinzuweisen.
Anlass zur Kritik ist eine am 4.2.2022 von Bildungsminister P. Czarnek unterzeichnete und unter Nr. 276 im Amtsblatt Polens veröffentlichte Verordnung, durch welche einseitig nur für Schüler, die der deutschen Minderheit angehören, die Anzahl der Stunden muttersprachlichen Unterrichtes von 3 auf 1 Stunde reduziert wurde. Für Kinder aller anderen nationalen Minderheiten gilt diese Reduzierung nicht. Dem gingen bereits weitere Einschränkungen im Bildungswesen voraus: Es wurde ein Verbot der Kombination der Stunden von muttersprachlichem Unterricht mit Stunden für Fremdsprachenunterricht verhängt, gleichzeitig wurden Angebote außerschulischer Sprachmittlung einer staatlichen Aufsicht unterstellt (Lex Czarnek). Die finanziellen Mittel, mit denen Warschau schulischen Unterricht in kommunalen Strukturen mitfinanziert hat, wurden ebenfalls ausschließlich für den Deutschunterricht um ca. 10 Millionen Euro reduziert.
Bundesbeauftragter Fabritius bedauerte in seinen Gesprächen mit dem Sejm-Abgeordneten der deutschen Minderheit, Ryszard Galla, mit dem Vorstand und Vorsitzenden des Vereins der deutschen Gesellschaften in Polen, Bernard Gaida, und dem Vorsitzenden der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien und Präsident des Oppelner Sejmiks, Rafal Bartek, sowie mit den anderen Vertretern im VdG-Vorstand diese polnischen Maßnahmen, die von den Angehörigen der deutschen Minderheit als eine offene Diskriminierung durch die eigene Regierung empfunden werden. Die Folge dieser drastischen Reduzierung des Deutschunterrichts wären nun Entlassung von Deutschlehrern und sogar Schulschließungen in den Orten und Wojewodschaften, in welchen die deutsche Minderheit noch siedeln würde.
Fabritius: "30 Jahre nach der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschafts- und Freundschaftsvertrages wäre ich gerne nach Polen gekommen, um gemeinsam die bilateralen Erfolge unserer Partnerschaft zu feiern. Die Republik Polen misst dem Schutz nationaler Minderheiten allgemein hohe Bedeutung bei, beispielsweise durch das polnische Minderheitengesetz und die Ratifizierung einschlägiger Regelungen des Europarates zum Minderheitenschutz. Auch war man sich bisher gegenseitig einig in der Auffassung, dass gerade die deutsche Minderheit in Polen (wie auch die polnische Zuwanderungsgruppe in Deutschland) ein wichtiges Element der bilateralen Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern ist. Leider ist der Anlass meines aktuellen Besuchs in Oberschlesien jedoch sorgenerfüllt. Die Bundesregierung ist überrascht worden von dieser Entscheidung des polnischen Bildungsministeriums. Sie stellt nach meiner Überzeugung eine bedauerliche und offene Diskriminierung der deutschen Minderheit dar. Die zur Begründung dieser Diskriminierung von der polnischen Regierung angeführten Annahmen sind völlig unzutreffend und wären darüber hinaus auch nicht geeignet, derartige Restriktionen mit einer für kommende Generationen sehr nachteiligen Wirkung für eigene Staatsbürger zu beschließen. Der Vorwurf der polnischen Regierung einer vermeintlich fehlenden Unterstützung der Bundesrepublik für Polnischunterricht an deutschen Schulen ist völlig unzutreffend."
Zum Stand des Polnischunterrichts in Deutschland:
Der Bundesbeauftragte informierte weiter: "Die Zahl der Polnisch-Lernenden an deutschen Schulen hat sich seit 1991 um das 13-fache erhöht und seit 2005 noch einmal fast verdreifacht. Alleine 14.246 Oberschüler, die Polnisch als Herkunftssprache lernen, profitierten 2020 von deutschen Bildungsausgaben in Höhe von 202,3 Millionen Euro, die in den Bildungssystemen der Länder vom deutschen Steuerzahler zur Verfügung gestellt werden. Zudem stärkt das 2020 gegründete Kompetenz- und Koordinierungszentrum für Polnisch in St. Mariental den Polnisch-Unterricht in Deutschland. Auch das Deutsche Polen-Institut leistet wichtige Arbeit und wird von öffentlichen deutschen Stellen unterstützt. Es gibt herausragende Modellprojekte in den Grenzregionen und seit 2013 eine Strategie der Kultusministerkonferenz zur Förderung von Polnisch als Herkunftssprache. Die Geschäftsstelle der Polonia wurde zuletzt mit 85.000 Euro jährlich aus Mitteln des Bundesinnenministeriums unterstützt. Es ist mir daher wichtig, dass diese Fakten Eingang in die weiteren Beratungen finden und Polen seine Diskriminierungsentscheidung überdenkt! Diese Fakten zeigen, wie breit die polnische Gemeinschaft in Deutschland finanziell und ideell unterstützt wird.
Ich bin darüber hinaus dankbar für die vielen Vertreter innerhalb der polnischen Zuwanderer-Gemeinschaft in Deutschland, die sich solidarisch mit der deutschen Minderheit in Polen zeigen und großes Unverständnis für die Maßnahmen der polnischen Regierung äußern. Sie bestätigten die Angaben der Kultusministerkonferenz der Länder, dass die Angebote an herkunftssprachlichem Unterricht in den Bundesländern bedarfsgerecht sind.
Ich hoffe daher, dass durch ein Wiederaufgreifen bilateraler Gespräche die bestehenden Missverständnisse ausgeräumt und die diskriminierenden Maßnahmen gegen die deutsche Minderheit zurückgenommen werden.
Die Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen leisten einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Vielfalt der polnischen Gesellschaft und sind stets loyale Bürger. Sie fühlen sich daher – so ist mein Eindruck auch durch die vielen Gespräche vor Ort und durch Zuschriften, die ich von Deutschlehrern, von Eltern und Schülern erhalte - durch die Entscheidung ihrer eigenen polnischen Regierung tief ins Herz getroffen!"
Der Bundesbeauftragte wird bereits am 22.2.2022 zu weiteren Gesprächen mit der polnischen Regierung nach Warschau reisen.
Die Reise des Bundesbeauftragten nach Oppeln stieß auf ein großes Medienecho. Nachfolgend wird auf ausgewählte Berichterstattungen verwiesen:
https://wiadomosci.wp.pl/frankfurter-allgemeine-zeitung-polska...
https://opole.wyborcza.pl/opole...
https://www.portalsamorzadowy.pl/...
https://www.fakt.pl/wydarzenia/polityka/...
https://www.wprost.pl/polityka/...
https://www.strzelec.info/wiadomosci/...