12. Kommunalpolitischer Kongresses in Allenstein/Olsztyn
Rede 20.10.2019
Vortrag „Die Bundesrepublik Deutschland als Partner der deutschen Minderheit in Polen"
-
Ort
Allenstein/Polen
-
Rednerin oder Redner
Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten
Es gilt das gesprochene Wort!
Ich bedanke mich herzlich für die Einladung und darf Ihnen zugleich die besten Wünsche der Bundesregierung, insbesondere von Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel und Bundesinnenminister Herrn Horst Seehofer, überbringen.
Bei dieser Gelegenheit gratuliere ich dem langjährigen Abgeordneten der deutschen Minderheit im polnischen Sejm, Ryszard Galla, der bei der Wahl am letzten Sonntag seinen Sitz im Parlament für die deutsche Minderheit verteidigen konnte!
Ich weiß aus Gesprächen mit Vertretern der deutschen Minderheit und der Landsmannschaft Ostpreußen, welch engagierte und bedeutende Rolle die Organisationen der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren beim Erhalt des deutschen Kulturerbes spielen. Rund 20 deutsche Minderheitenverbände sind dort aktiv und pflegen die deutsche Sprache, Tradition und Kultur in dieser Region. Meinen herzlichen Dank für diesen außerordentlichen Einsatz!
Seit den epochalen Umwälzungen in den Staaten Mittel-, Südost- und Osteuropas 1989/1990 und der Erweiterung der Europäischen Union hat sich auch die Situation der deutschen Minderheit in Polen erheblich verbessert. Das kann man selbst in der aktuellen, bekannten und unbefriedigenden Situation rückblickend doch feststellen.
Die deutsche Minderheit in Polen lebt aufgrund der historischen Erfahrungen in dem Bewusstsein, dass Frieden und Freiheit kostbare und nicht selbstverständliche Güter sind.
Entsprechend schätzt die deutsche Minderheit die Einbettung in Europa als besonderen Garanten für den Erhalt dieser Werte. Für sie ist die Gründung Europas nicht nur als Wirtschafts-, sondern auch als Wertegemeinschaft ein Beitrag zur Verständigung und Versöhnung der Europäischen Völker und eine Gewähr für friedliches und vertrauensvolles Zusammenleben.
Zu dieser Wertegemeinschaft gehört die Achtung der Menschenrechte, Wahrung des Friedens, Solidarität und freundschaftliches Miteinander. Das Bekenntnis aller alten und neuen Mitgliedsstaaten zu diesen Werten unserer Gemeinschaft stabilisiert den Frieden und die Völkerfreundschaft.
Hierzu leistet gerade auch die deutsche Minderheit in Polen ihren Beitrag! Sie ist heute anerkannter Teil der polnischen Gesellschaft. Ihre Stimme wird auch in Deutschland gehört!
Die Bundesregierung ist sich ihrer besonderen Verantwortung für die deutsche Minderheit in Polen bewusst. Das spiegelt sich nicht zuletzt in einer erheblichen Förderung wieder. Im letzten Jahr hat das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Fördermittel in Höhe von rund 2,9 Mio. Euro, das Auswärtige Amt in Höhe von rund 1,1 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Im Zentrum der Unterstützungsmaßnamen stehen die Erhaltung und Pflege von Sprache und Kultur der deutschen Minderheit.
Wir wissen, dass die Jugend von heute die Zukunft von morgen ist. Auch dies schlägt sich in der Förderung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat nieder. Im Rahmen der Jugendarbeit werden Projekte wie das Archiv der erzählten Geschichte, Samstagskurse, Kinder- und Jugendfreizeiten sowie die „Miro Deutsche Fußballschulen“ unterstützt.
Wer wäre vor diesem Hintergrund besser geeignet als die Angehörigen der deutschen Minderheit, eine Brückenfunktion zwischen Deutschland und dem Herkunftsland einzunehmen? Viele dieser Menschen tragen sozusagen „zwei Herzen in ihrer Brust“. Sie kennen „ihre“ beiden Länder sehr gut und wissen um die Mentalität der Menschen und die jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse. Für die Verständigung zwischen zwei Völkern scheint kaum eine günstigere Konstellation vorstellbar als jene, dass eine relativ große Zahl von Menschen gleichsam in beiden Kulturräumen „zu Hause“ ist.
Ein wichtiges Mittel zum Brückenbau ist neben der Kontaktpflege der deutschen Minderheit zu der Mehrheitsgesellschaft der Dialog und die Zusammenarbeit mit den in Deutschland ansässigen Landsmannschaften. Durch die institutionelle Förderung für den Bund der Vertriebenen leistet die Bundesregierung ihren Beitrag für starke Landsmannschaften als Interessenvertreter für die Belange der Vertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedler. Die Bundesregierung fördert daher zum einen die zivilgesellschaftlichen Kontakte auf kultureller, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und sozialer Ebene, wie grenzüberschreitende Maßnahmen, bei denen die deutsche Sprache als Bindeglied gilt. Dies können z.B. gemeinsame Theaterfestivals in deutscher Sprache, Trachten- und Musikfeste, wissenschaftliche Tagungen, Ausstellungen und Konzerte sein.
Zum anderen unterstützt das Bundesinnenministerium auch die verständigungspolitische Arbeit der Vertriebenenverbände für Aussöhnung und für ein friedliches Miteinander in Europa. Diese zahlreichen Projekte, die sich an Heimatvertriebene und an Angehörige der deutschen Minderheiten richten, tragen dazu bei, dass nicht nur alte Ressentiments überwunden werden, sondern auch gerade eine junge Generation von Studierenden und gut ausgebildeten Multiplikatoren heranwachsen, die für einen offenen und dialogbereiten Staat stehen. Dabei gilt es auch den positiven Beitrag zu würdigen, den die deutsche Minderheit in Polen zu gesellschaftlicher Integration und friedlichen zwischenstaatlichen Beziehungen beiträgt.
Gerade vor dem Hintergrund einer möglichen Wiederkehr aggressiv nationalistischer Abgrenzungspolitiken gewinnt die Rolle der deutschen Minderheit als Brückenbauer zur Mehrheitsgesellschaft vermehrt an Bedeutung. Hierzu hat der polnische Staatspräsident, Andrzej Duda, im Januar des Jahres auf seinem traditionellen Neujahrsempfang ausgeführt: "Sie bereichern seit Jahrhunderten die Gesellschaft mit Ihren Kulturen, Sprachen und Religionen. Trotz Unterschieden bilden wir eine Gemeinschaft und das betone ich, weil es einfach so ist." Ich wünsche mir, dass diese Einsicht in Polen auch vermehrt in politisches Regierungshandeln bei Förderung der deutschen Minderheit durchdringt.
Hierin kommt eine Haltung des Präsidenten zum Ausdruck, die ganz auf der Linie der Äußerungen von Papst Johannes Paul II. liegt, der in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag im Jahr 1989 die Rechte der Angehörigen ethnischer Minderheiten unmittelbar aus der "unveräußerlichen Würde jeder menschlichen Person" ableitete und für die Volksgruppen als Ganzes ein Recht forderte "auf die Identität ihrer Gemeinschaft, die in Übereinstimmung mit der Würde eines jeden Mitgliedes geschützt werden muss."
Deshalb muss Gefahren einer rückwärtsgewandten Minderheitenpolitik eindeutig entgegengetreten werden. Hierfür möchte ich ein aktuelles Beispiel nennen: Die deutsche Minderheit in Polen muss sich gerade mit einer Entwicklung befassen, die das Lernen der deutschen Sprache als Minderheitensprache in der Schule künftig sehr erschweren wird. Nach der Auffassung des polnischen Bildungsministeriums kann Deutsch nicht gleichzeitig als Muttersprache und Fremdsprache unterrichtet werden, weil für die Kinder aus der deutschen Minderheit Deutsch keine Fremdsprache sei, aus meiner Sicht eine klare Diskriminierung von Minderheiten.
Was in einem Land „Fremdsprache“ ist, leitet sich nur von der Nationalsprache ab. Ein Verstoß gegen dieses logische Prinzip hat zur Folge, dass diese Kinder nun andere Fremdsprachen und nur zusätzlich – mit weiterer zeitlicher Belastung – freiwillig Deutsch als Minderheitensprache erlernen müssten. Es ist anzunehmen, dass wegen dieser Mehrbelastung Deutsch als Minderheitensprache in der Schule – und damit ein wesentliches identitätsstärkendes Merkmal – zurückgedrängt wird.
Solche Entwicklungen müssen wir sorgfältig beobachten und uns entschieden für sachgerechte Lösungen einsetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
als Beauftragter der Bundesregierung werde ich mich immer engagiert für die Unterstützung der deutschen Minderheit in Polen einsetzen und auch bei besonderen Herausforderungen nach konstruktiven Lösungen suchen!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!