Ausstellungseröffnung „Eine europäische Erfahrung. Historisches und kulturelles Erbe der Deutschen in Rumänien" im Nationalmuseum zur Geschichte Rumäniens

Typ: Rede , Datum: 12.06.2019

  • Ort

    Bukarest / Rumänien

  • Rednerin oder Redner

    Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten

Es gilt das gesprochene Wort!

Es ist mir eine große Freude und Ehre, heute hier in Bukarest bei Ihnen zu sein und zu Ihrer Ausstellungseröffnung mit einem Grußwort beitragen zu dürfen.

Sie haben diese Ausstellung „Eine europäische Erfahrung. Historisches und kulturelles Erbe der Deutschen in Rumänien“ genannt.

Der Betrachter soll also einen Blick auf die deutsche Minderheit hier in Rumänien werfen, auf ihre Geschichte und ihre Rolle bei der Entstehung des modernen Staates Rumänien.

Mich freut es besonders, dass ich heute hier zu Ihnen sprechen darf, und dies hat zwei Gründe:

Zum einen habe ich nunmehr seit mehr als einem Jahr ein Amt übernommen, das mir als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten unter anderem besondere Verantwortung für diejenigen überträgt, die als deutsche Minderheit in Rumänien leben und dort die deutsche Kultur und Sprache trotz oft widriger Umstände aufrechterhalten und pflegen.

Zum anderen bin ich selbst ein Angehöriger genau dieser deutschen Minderheit. Ich bin in Hermannstadt geboren und habe Rumänien gemeinsam mit meiner Familie erst als junger Mann verlassen.

Erlauben Sie mir zunächst ein paar Worte zur Geschichte der deutschen Minderheit in Rumänien. Sie reicht weit zurück: Die Siebenbürger Sachsen siedelten sich bereits im 12. Jahrhundert unter dem ungarischen König Geza II. an und sind damit die älteste noch existierende deutsche Siedlergruppe in Osteuropa. Seit dem 18. Jahrhundert haben in dem traditionellen Siedlungsgebiet der Siebenbürger Sachsen, die seit der Reformation unter Honterus evangelischen Glaubens sind, auch die von Karl VI. und Maria Theresia aus Österreich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum evangelischen Glauben zwangsumgesiedelten Landler eine neue Heimat gefunden.

Die Banater Schwaben sowie die Sathmarer Schwaben kamen im Zuge einer gezielten Ansiedlungspolitik des Hauses Habsburg vom 17. bis ins 19. Jahrhundert. Zipser, Banater Berglanddeutsche, Dobrudscha-, Bessarabien- und Bukowinadeutsche kamen ebenfalls im Zuge dieser Siedlungsbestrebungen im 18. Jahrhundert.

Die Siedlungsgebiete gehörten jedoch nicht immer zu Rumänien, sondern lagen zu einem Großteil in dem Territorium von Österreich und Ungarn.

Was führte nach dem Ersten Weltkrieg also dazu, dass bei der Neuordnung der Grenzen Südosteuropas die Gebiete der deutschen Siedler mit deren Zustimmung an Rumänien fielen? Die deutschen Gemeinschaften auf dem Gebiet der ungarischen Monarchie sahen sich bereits seit längerem einer zunehmenden Magyarisierung ausgesetzt. Der Zwang, sich in der ungarischen Gesellschaft zu assimilieren, führte jedoch genau zu dem gegenteiligen Effekt. Die slowakischen, rumänischen, südslawischen und deutschen Minderheiten auf ungarischem Gebiet begannen verstärkt zusammenzuarbeiten.

Und nun geschah etwas, dass richtungsweisend für die Entscheidung der deutschen Minderheiten der Region war: Die Nationalversammlung aller Rumänen in Siebenbürgen, dem Banat und der ungarischen Landesteile verkündeten am 01. Dezember 1918 in Karlsburg den Großstaat Rumänien.

Der neue Staat musste aber noch international anerkannt werden. Und hier kommen die Minderheiten wieder ins Spiel: Nach all den Versuchen der ungarischen Monarchie, die deutsche Kultur und Sprache zu unterdrücken, nach all den Anfeindungen versprach die Nationalversammlung in den Karlsburger Beschlüssen das Recht auf Autonomie, das Recht auf eigene Sprache und Religionsfreiheit im Paket mit elementaren Menschenrechten wie Meinungs-, Presse- und Wahlfreiheit.

Konsequenterweise entschieden die deutschen Gemeinschaften, sich für die Eingliederung ihrer Gebiete in den rumänischen Staat auszusprechen. Im November 1918 erklärten die Buchenlanddeutschen ihre Zustimmung, im Januar 1919 folgten die Siebenbürger Sachsen und danach auch die Bessarabiendeutschen und die Banater Schwaben. Bei den Friedensverhandlungen in Versailles haben diese Voten eine erhebliche Rolle für die Anerkennung des modernen rumänischen Staates gespielt.

Es wohnten nun nahezu 800.000 Bürger deutscher Ethnie in Rumänien. Doch bereits während der faschistischen Diktatur begann die Anzahl der deutschen Minderheit durch Zwangsumsiedlungen und Einziehung zum Militärdienst zu schrumpfen.

Die Verfolgung und Vertreibung der Deutschen in den Staaten Mittel- und Osteuropas nach dem Zweiten Weltkrieg hatte weitere gravierende Folgen: Während die deutsche Minderheit im Rumänien der Zwischenkriegszeit noch rund 750.000 Mitglieder hatte, sank die Mitgliederzahl drastisch in den Jahren während und nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund der Umsiedlungen, der Teilnahme am Krieg und anschließend wegen der angeordneten Strafmaßnahmen.

Die verbliebenen Mitglieder der deutschen Minderheit sahen oft für sich keine Zukunft im kommunistischen Rumänien und nahmen alle Chancen wahr, nach Deutschland auszureisen. Diese massiven Auswanderungsbestrebungen wurden seit 1970 von der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Durch den Fall des Eisernen Vorhangs nahmen sie noch vermehrt zu.

Die Konsequenz ist frappierend: 1989 lebten noch rund 200.000 Rumäniendeutsche in Rumänien. Heute zählen wir nur noch 37.000 Angehörige der deutschen Minderheit. Nachdem viele mit deutschen Wurzeln das Land verlassen hatten, sah sich die verbliebene deutsche Gemeinschaft zunächst in ihrer Existenz bedroht.

Im Zeichen der Wende 1989/1990 haben sich die verbliebenen Deutschen Rumäniens unter Rückgriff auf traditionsreiche lokale Vereinigungen neu organisiert und sich im Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) mit Sitz in Hermannstadt eine politische Vertretung gegeben.

Seit Ende 2014 ist der frühere Vorsitzende des Forums, Klaus Johannis, rumänischer Staatspräsident. Vielerorts sitzen Angehörige der deutschen Minderheiten in regionalen und überregionalen Gremien. Die Minderheit ist trotz zahlenmäßiger Schwäche politisch und kulturell einflussreich und in allen Schichten der Bevölkerung vertreten.

Die deutsche Minderheit in Rumänien hat sich in den Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg, die durch Verfolgung der deutschen Minderheit und starken Auswanderungsbewegungen gekennzeichnet waren, nicht davon abbringen lassen, sich zu ihren deutschen Wurzeln zu bekennen und diese zu pflegen.

Gleichzeitig gestaltet sie aktiv die Gegenwart in der rumänischen Gesellschaft und trägt zu dem wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben in Rumänien bei. Die deutsche Minderheit hat stets loyal und verlässlich als treue rumänische Staatsbürger agiert. Und genau dies ist ihr gemeinsamer Beitrag zur Völkerverständigung, zur Aussöhnung zwischen Deutschland und Rumänien, zur deutsch-rumänischen Freundschaft, deren 25-jähriges Jubiläum wir vor zwei Jahren begehen durften.

Sie alle sind die Architekten dieser Freundschaft, die Brückenbauer zwischen unseren beiden Völkern und haben damit aktiven Anteil an dem friedlichen Zusammenwirken in Europa.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche der Ausstellung einen großartigen Erfolg.