Dialogforum „Heimat im Herzen, Heimat in Deutschland“ mit Deutschen aus Russland

Typ: Rede , Datum: 04.06.2019

  • Ort

    Berlin

  • Rednerin oder Redner

    Prof. Dr. Bernd Fabritius, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten

Es gilt das gesprochene Wort!

Seit gut einem Jahr bin ich als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten im Amt. In dieser Funktion habe ich möglichst viele Gelegenheiten genutzt, um mit Menschen, für deren Belange ich als Beauftragter in Verantwortung stehe, ins Gespräch zu kommen.

So auch heute hier bei unserem Austausch. Das gewählte Format unserer Veranstaltung Dialogforum ist daher kein Zufälliges. Sowohl Dialog, als auch Forum, sind Begriffe, die Austausch und gleiche Augenhöhe voraussetzen und so wollen wir heute miteinander reden. Solche Veranstaltungen helfen uns, unseren Entscheidungskompass zu justieren, am Puls der wichtigsten Themen und Probleme zu bleiben, die die Menschen bewegen.

Deshalb bedanke ich mich bei Ihnen allen, dass Sie so zahlreich erschienen sind und mir so eine erneute Gelegenheit geben, mit sehr vielen und sehr unterschiedlichen Vertretern der Deutschen aus Russland ins Gespräch zu kommen.

Die Deutschen aus Russland sind eine relevante gesellschaftliche Gruppe, die jedes Jahr größer wird. Die Aussiedlung hält ungebrochen an und Sie werden mehr. Das ist gut so. Es ist eine Entwicklung, die ich ausdrücklich begrüße, denn diese Aussiedlung ist eindeutig eine Bereicherung für unsere Gesellschaft.

Gerade diesen Erkenntnis und den dazugehörigen Prozess politisch zu begleiten, ist ein zentraler Schwerpunkt meiner Tätigkeit, sodass die Belange der Aussiedler und Spätaussiedler im Mittelpunkt meines Arbeitsauftrages als Beauftragter der Bundesregierung stehen.

Das ist nicht von ungefähr, denn Deutschland hat infolge des Zweiten Weltkriegs eine besondere Verpflichtung gegenüber den Menschen, die ein besonderes Kriegsfolgenschicksal tragen. Diskriminierung auf Grund der ethnischen Zugehörigkeit ist der Kern davon.

Bereits 1988, also vor mehr als 30 Jahren, wurde das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten eingerichtet, und es besteht auch heute fort. Das spiegelt die besondere Bedeutung wider, welche die Aussiedlerpolitik im Regierungshandeln weiterhin einnimmt. Die Bundesregierung und insbesondere jeder meiner Vorgänger im Amt haben sich in dieser besonderen Verantwortung gesehen.

Ich sehe mich als Anwalt und Ombudsmann der Spätaussiedler. Ihre Anliegen sind meine Anliegen. Diesem Selbstanspruch versuche ich in jeder der vielen Facetten meines Amtes gerecht zu werden.

An erster Stelle nehme ich die politische Vertretung der Interessen der Spätaussiedler in der Bundesregierung wahr. Ich beobachte und begleite proaktiv die relevanten Gesetzgebungsverfahren und koordiniere das gemeinsame Handeln von Bund und Ländern in diesem Bereich. Wenn ich Änderungsbedarfe sehe, setze ich mich für die Entwicklung neuer Vorschläge ein und werbe im politischen Raum für ihre Verabschiedung durch den Bundestag. Kontinuierlich habe ich im Blick, wie sich die rechtlichen Regelungen bei der Aufnahme von Spätaussiedlern und ihren Angehörigen in der Praxis bewahren.

Zur politischen Vertretung in aussiedlerpolitischen Angelegenheiten zählt auch der Vorsitz im Beirat für Spätaussiedlerfragen. Bei unserer letzten Sitzung im November 2018 haben wir uns beispielsweise darauf verständigt, uns dafür einzusetzen, Standesbeamte so zu sensibilisieren, dass sie darauf verzichten, Spätaussiedlern aufzubürden, neue Personenstandsurkunden aus dem Herkunftsgebiet zu beschaffen, wenn es um Vorgänge vor der Aussiedlung geht.

Ergänzend zum Spätaussiedlerbeirat ist es bereits im ersten Jahr meiner Amtszeit gelungen, alle meine Amtskollegen in den Bundesländern an einen Tisch zu bringen, um ein gemeinsames Vorgehen in den Ländern zu initiieren. Dazu habe ich eine Beauftragtenkonferenz ins Leben gerufen, die bis jetzt zwei Mal getagt hat und sich mit länderübergreifenden Aussiedlerthemen beschäftigt hat.

Ein weiterer wichtiger Aspekt meiner Tätigkeit ist die Informationspolitik der Bundesregierung in Aussiedlerfragen. Diese Informationsarbeit umfasst nicht nur aktuelle Pressemitteilungen etwa zu Gesetzesnovellierungen, sondern auch die Organisation von Konferenzen und Fachtagungen mit aussiedlerpolitischen Schwerpunkten. Die heutige Veranstaltung ist eine davon. Auch auf der Jarmarka in Bad Salzuflen werde ich dabei sein, denn dort wo Sie sind, will ich auch sein.

Als zentraler Ansprechpartner des Bundes stehe ich den Selbstorganisationen der Aussiedler, und insbesondere der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, beratend und unterstützend zur Seite. Unmittelbarer Ansprechpartner bin ich auch bei ganz konkreten Bürgeranfragen und Bürgereingaben. Gerade hier gibt es viele Anliegen, für welche die Deutschen aus Russland einen Anwalt und Ombudsmann gut gebrauchen können.

Das möchte ich anhand eines ganz konkreten Beispiels aus dem breiten Aufgabenspektrum verdeutlichen.

Seit Jahren – nicht erst seit 1996 - setze ich mich mit aller Kraft für Verbesserungen bei der Fremdrente ein. Das Thema steht ganz oben auf meiner Agenda.

Mit der Bundesratsentschließung, die rentenrechtlichen Regelungen zu überprüfen, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung getan. Es ist jedoch auch das dickste Brett der letzten 20 Jahre; die notwendige Überzeugungsarbeit innerhalb der Regierungskoalition setze ich mit allem Nachdruck fort. Denn ich bin davon überzeugt: Aussiedler sind Leistungsträger, so auch das Motto unserer Podiumsdiskussion.

Ihre Lebens, Arbeits- und Beitragsleistung verdient Respekt und Anerkennung und eine angemessene rentenrechtliche Berücksichtigung. Jede Ungleichbehandlung verstößt gegen die Verantwortung für das aufgrund der deutschen Volkszugehörigkeit erlittene Kriegsfolgenschicksal der Erlebnisgeneration und auch der nachfolgenden Generationen. Zu dieser Verantwortung steht die Bundesregierung nach wie vor ohne Wenn und Aber.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Herr Abteilungsleiter Dr. Frehse hat die Schwerpunkte der Heimatpolitik der Bundesregierung dargestellt. Nach meinem Verständnis bedeutet Heimatpolitik für die Spätaussiedler in erster Linie Beheimatung.

Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, die eine gleichberechtigte Teilhabe am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben in Deutschland ermöglichen: Aussiedlerpolitik ist Heimatpolitik! Die Beheimatung von Spätaussiedlern verändert zugleich die Gesellschaft und bereichert sie – demographisch, wirtschaftlich wie kulturell. Ihre Mehrfachkompetenz ist etwas Positives

Ziel der Heimatpolitik ist daher auch, Akzeptanz zu schaffen, Ungleichbehandlung oder gar Diskriminierung zu verhindern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Es geht um respektvolles Miteinander sowie die Übernahme gemeinschaftlicher Verantwortung. Eine erfolgreiche Beheimatung setzt auch eigene Anstrengungen der Spätaussiedler voraus. Ziel dieses zweiten Podiums ist, lebendige Beispiele gelungener Beheimatung aufzuzeigen und diese Leistungen in den Vordergrund zu stellen.

Denn Russlanddeutschen begegnen immer wieder – in den letzten Jahren verstärkt – Klischees, Unverständnis oder gar Diffamierung. Falsche Vergleiche bereiten das Feld dafür. Umso wichtiger ist es, diesem bedauerlichen Trend öffentlichkeitswirksam entgegenzuwirken und die Weichen in der gesellschaftlichen Debatte richtig zu stellen – differenziert und ohne Pauschalisierungen. Stereotype und Vorurteile entstehen durch Unwissenheit. Die überwiegende Mehrheit der Russlanddeutschen steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes.

Die Vergangenheit hat gezeigt: Russischsprachige Menschen können in Deutschland zur Zielscheibe hybrider Einflussnahme und propagandistischer Instrumentalisierung von außen werden. Meine Überzeugung ist jedoch: Für Deutsche aus Russland ist ihre Heimat Deutschland identitätsstiftend; die Verbundenheit zu den vorherigen Wurzeln ist da kein Gegensatz

Verbundenheit in Werten und Kultur verleiht Zusammengehörigkeitsgefühl. Diese Tatsache in den Vordergrund zu stellen, ist aus meiner Sicht das Hauptziel unseres heutigen Austausches.

Auf die Podiumsdiskussion freue ich mich sehr und bin auf das Gespräch mit Ihnen sehr gespannt. Und nun übergebe ich unserer Moderatorin das Wort für die Vorstellung der Podiumsteilnehmer und danke für Ihre Aufmerksamkeit