Deutsche Minderheiten in anderen Staaten Mittelost- und Osteuropas
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In den übrigen Ländern Mittelost- und Osteuropas, namentlich in der Tschechischen und der Slowakischen Republik sowie in Kroatien, Serbien und Slowenien, leben heute ebenfalls noch in kleinerer Anzahl Angehörige deutscher Minderheiten.
Tschechische Republik
Ungeachtet der Vertreibungen nach Ende des Zweiten Weltkrieges, von denen etwa zwei Millionen Deutsche aus Böhmen, Mähren und dem tschechischen Teil Schlesiens nach Deutschland kamen, setzen die verstreut lebenden Heimatverbliebenen die jahrhundertelange Siedlungstradition fort. Nach den Ergebnissen des Zensus 2011 leben heute in der Tschechischen Republik knapp 19.000 Staatsbürger, die sich zur deutschen Minderheit bekennen. Gleichzeitig gaben 20.780 Personen an, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen. Das Auswärtige Amt schätzt die Größe der deutschen Minderheit auf ca. 40.000 Personen.
Deutsche ließen sich auf Einladung der mittelalterlichen Herrschergeschlechter der Přemysliden und der Luxemburger seit dem 11. Jahrhundert in den so genannten Böhmischen Ländern – dem Königreich Böhmen, der Markgrafschaft Mähren und dem Herzogtum Schlesien – nieder. Im Zuge des Landesausbaus erschlossen sie vor allem die vielfach bodenschatzreichen Wald- und Bergregionen im Grenzsaum, zum Teil waren sie aber auch in zentralen Orten im Landesinnern (u.a. Prag/Praha, Brünn/Brno, Pilsen/Plzeň, Iglau/Jihlava) als bedeutende städtische Minderheiten vertreten. Über Jahrhunderte erfolgte ein intensiver beidseitiger Kultur-, Wissens- und Technologietransfer, der bis zur Frühen Neuzeit aus den Böhmischen Ländern eine der am höchsten entwickelten Regionen Mitteleuropas machte. Die Landesherrschaft der Habsburger ab 1526 förderte das deutsche kulturelle Element, unter anderem über die Bevorzugung der deutschen Verwaltungssprache seit dem 18. Jahrhundert. Hinzu kamen konfessionelle Spannungen, die im Zuge der katholischen Gegenreformation im 17. Jahrhundert einen neuen Zustrom deutscher Siedler anstelle der geflohenen protestantischen Exilanten bedingte. Im 19. Jahrhundert konkurrierten die tschechische Nationalbewegung, die zunächst auf eine gewisse Autonomie innerhalb Österreichs, dann zunehmend auf staatliche Unabhängigkeit setzte, mit deutschnationalen Tendenzen unter den Deutschen in den Böhmischen Ländern. Mit der Errichtung der Tschechoslowakischen Republik 1918 wurden diese Deutschen zu einer nationalen Minderheit mit weitgehenden Autonomierechten. In den 1920er Jahren bürgerte sich für die diversen Einzelgruppen der Sammelbegriff "Sudetendeutsche" ein. Unter dem Vorwand, das vorenthaltene "Selbstbestimmungsrecht" für sie zu realisieren, setzte Hitler – mit Billigung Italiens, Frankreichs und Großbritanniens – 1938 im "Münchner Abkommen" den "Anschluss" der mehrheitlich von Deutschen bewohnten Randgebiete an das Deutsche Reich durch. 1939 erfolgte die Besetzung des restlichen Staatsgebiets, begleitet von massiven Repressionsmaßnahmen gegenüber der tschechischen Bevölkerungsmehrheit. Auf der Potsdamer Konferenz setzte die tschechoslowakische Regierung die Vertreibung der meisten Deutschen durch; zurück blieben vor allem Angehörige gemischtnationaler Familien und Facharbeiter.
Mit 7.500 Mitgliedern ist die Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien (LV) mit dem Jugendverband "JUKON" sowie der Mittelstandsförderungsgesellschaft „Bohemia Troppau“ die größte Selbstorganisation der Deutschen. Ihr folgt der Kulturverband der Bürger deutscher Nationalität in der Tschechischen Republik mit etwa 1.300 Mitgliedern.
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat unterstützt die deutsche Minderheit im gemeinschaftsfördernden, verbandsstärkenden sowie im sozial-humanitären Bereich. Darüber hinaus werden Projekte der Jugendorganisation gefördert, und durch Fortbildungsmaßnahmen wird ihre verbandliche Struktur gestärkt.
Die gewährten Hilfen an die deutsche Minderheit in Tschechien gründen auf dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Republik über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit aus dem Jahr 1992. Außerdem wurde mit der Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds eingerichtet, dessen Mittel anteilig ebenfalls zugunsten der deutschen Minderheit eingesetzt werden.
Slowakische Republik
Die Volkszählung aus dem Jahr 2011 erbrachte 4.690 Angehörige der karpatendeutschen Minderheit. Inoffizielle Schätzungen reichen bis zu einer dreifach höheren Anzahl. Höher als die Zahl der bekennenden Deutschen ist die Zahl derjenigen, die Deutsch als Mutter- oder Familiensprache benutzen. Auf dem Staatsgebiet der heutigen Slowakei, das bis 1918 durch Jahrhunderte ein Teil des Königreichs Ungarn (Oberungarn) gewesen war, lassen sich die Anfänge deutscher Besiedelung bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Als Fachkräfte im Bergbau und bei der Holzverarbeitung wurden Deutsche von den ungarischen Königen aus den Dynastien der Arpaden und der Angevinen angeworben und im slowakisch geprägten östlichen Karpatenbogen angesiedelt. Neben Slowaken, Ungarn und Angehörigen anderer Gruppen lebten sie unter anderem in der Zips und im so genannten Hauerland. Auch in den größeren Städten, so in Pressburg/Bratislava/Pozsony, Kaschau/Košice/Kassa oder Tyrnau/Trnava/Nagyszombat, lebte eine nennenswerte Anzahl Deutscher. Alle diese Gruppen wurden 1918 in der Tschechoslowakischen Republik zusammengefasst und entwickelten erst damals – in Analogie zu den "Sudetendeutschen" im tschechischen Landesteil – eine Gruppenidentität als "Karpatendeutsche". In den Jahren 1944/45 wurden, insbesondere aus der Zips, die meisten Deutschen ins Deutsche Reich evakuiert; andere flohen vor der Roten Armee in Richtung Westen. Aufgrund der Potsdamer Beschlüsse wurden etwa vier Fünftel der verbliebenen Karpatendeutschen vertrieben, während etwa ein Fünftel im Land verblieb. Die verbliebene deutsche Minderheit bildet als Sprach- und Identitätsträger eine wichtige Brückenfunktion zwischen Deutschland und der Slowakei. Nahezu alle Slowakeideutschen sind Mitglieder im Karpatendeutschen Verein (KDV), der bereits 1990 gegründet wurde. Durch seine regionale und örtliche Gliederung ist der Verein flächendeckend vertreten, besonders in den Siedlungsschwerpunkten. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat unterstützt die Tätigkeit des KDV in Bereichen der Gemeinschafts- und Verbandsförderung, bei der Durchführung von Sprachbindungsmaßnahmen sowie Aus- und Fortbildungsveranstaltungen.
Die gewährten Hilfen an die deutsche Minderheit in der Slowakei gründen auf dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen und Slowakischen Republik über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit aus dem Jahr 1992.
Republik Kroatien
Bei den Kroatiendeutschen handelt es sich um unterschiedliche Gruppen von Deutschen und Österreichern, die nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie und der Gründung des jugoslawischen Staates (Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) in Kroatien verblieben sind und dort bis 1945 mit ca. 85.000 Angehörigen die größte Minderheit gebildet haben. Ihr Hauptsiedlungsgebiet liegt in Slawonien mit Zentrum in Osijek (Esseg). 1920 gründeten sie als eigene Interessenvertretung den "Kulturbund", 1929 die "Partei der Deutschen", die 1929 verboten wurde. Viele flohen 1945 aus ihrer Heimat, andere wurden vertrieben. Heute leben nach offiziellen Angaben noch etwa 3.000 Angehörige der deutschen Minderheit in Kroatien. Innerhalb der Minderheit sprechen ca. 10 % Deutsch.
Seit Beginn der 1990er Jahre bietet sich den Angehörigen der deutschen Minderheit die Möglichkeit, eigene Vereine zu gründen und ihre Sprache und ethnokulturelle Identität wieder aktiv zu leben und zu pflegen, z.B. durch Chöre, Theatergruppen oder eigene Sprachkurse. Die damals gegründete Deutsche Gemeinschaft in Essegg (Osijek) ist heute der größte Verein der deutschen Minderheit in Kroatien. Weitere Vereine sind in Wukowar (Vukovar) und Agram (Zagreb) tätig.
Der Schutz der Minderheitensprachen ist rechtlich garantiert. Nach Artikel 10 des Verfassungsgesetzes über die Rechte der nationalen Minderheiten haben die Angehörigen der nationalen Minderheiten das Recht, ihre Sprache und Schrift privat und öffentlich frei zu gebrauchen. Hierzu gehört auch das Recht, in ihrer Sprache und Schrift Zeichen, Aufschriften und andere Informationen darzustellen. Unter den Schutz des Gesetzes fällt neben der deutschen Sprache auch Italienisch und Ungarisch.
Als Ergebnis der Parlamentswahlen vom 11.09.2016 wird die deutsche Minderheit durch einen zur Roma-Minderheit gehörenden Abgeordneten vertreten, der insgesamt 12 Minderheiten vertritt. Auf kommunaler und regionaler Ebene sind die Minderheiten entsprechend ihrem Anteil an der örtlichen Bevölkerung über ihre jeweiligen Abgeordneten vertreten.
Kulturellen Einfluss hat die deutsche Minderheit (deutschsprachige Magazine, Kulturveranstaltungen, hohe Deutschlerner-/Germanistikstudenten-Zahl) v.a. in Slawonien. Besonders im Kulturbereich sind die deutschen Minderheiten im sogenannten Dreiländereck (Kroatien, Ungarn, Serbien/Provinz Wojwodina) gut miteinander vernetzt.
Republik Serbien
In der Republik Serbien, insbesondere in der autonomen Provinz Wojwodina, leben ca. 4000 serbische Bürger deutscher Volkszugehörigkeit. In keiner Gemeinde erreicht der Anteil der deutschen Bevölkerung mehr als 5%.
Die Deutschen in Serbien gehören zur Gruppe der Donauschwaben, die nach den Siegen der Habsburger über die Osmanen unter anderen Regionen auch im Banat und in der Batschka angesiedelt wurden. Teile dieser Regionen fielen nach dem Ersten Weltkrieg an den serbischen Staat und gehören heute zur Vojvodina. Auf den Vernichtungskrieg, den das nationalsozialistische Deutschland gegen Jugoslawien geführt hat, folgten Verfolgungen, denen sich auch die Serbiendeutschen ausgesetzt sahen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der größte Teil der deutschen Bevölkerung vertrieben. Die Mehrheit der Heimatverbliebenen wurde in Lagern interniert, in denen viele von ihnen ums Leben kamen. Unter Androhung von Strafen durfte im Tito-Jugoslawien die deutsche Sprache nicht benutzt werden. Zusätzlich zum Sprachverbot waren die Deutschen ständigen Repressionen ausgesetzt, so dass eine Aussiedlung in die Bundesrepublik oftmals der einzige Ausweg war, den Entbehrungen zu entkommen.
Die heutige deutsche Minderheit in Serbien wird von dem Nationalrat der deutschen Minderheit vertreten. Da Serbien im Jahr 2006 die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert hat, bieten die Standards der europäischen Ebene einen wirksamen Schutz für die deutschsprachige Gruppe. Aktive Organisationen finden sich in der Wojvodina.