Rechtsgrundlagen der Minderheitenpolitik
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Im europäischen, deutschen, aber auch internationalen Recht gibt es Vorschriften, die alle in Deutschland lebenden nationalen Minderheiten und ihre Sprachen sowie die Regionalsprache Niederdeutsch gleichermaßen schützen. Diese allgemeinen Regelungen unterscheiden nicht nach den einzelnen Gruppierungen.
1. Grundgesetz
Die deutsche Verfassung verbietet jede Form von Diskriminierung wegen der Sprache oder auf Grund von Heimat und Herkunft (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG). Daran sind neben der Gesetzgebung die Verwaltung auf allen staatlichen Ebenen sowie die Rechtsprechung gebunden.
2. Grundlegende Minderheitenabkommen des Europarates im Rang von Bundesgesetzen
Die Mitgliedsstaaten des Europarates haben zu diesem Zweck das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen erarbeitet.
2.1 Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten
Das in Deutschland im Jahr 1998 in Kraft getretene Übereinkommen verbietet jede Diskriminierung einer Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit sowie eine Assimilierung gegen ihren Willen. Ferner verpflichtet es die Mitgliedsstaaten zum Schutz der Freiheitsrechte und zu umfänglichen Fördermaßnahmen zu Gunsten der nationalen Minderheiten. Das Rahmenübereinkommen gilt in Deutschland als Bundesgesetz und hat somit Vorrang z. B. gegenüber Landesgesetzen.
Die Unterzeichnerstaaten sind verpflichtet worden, innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten den Europarat umfassend über die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zu informieren; danach ist alle fünf Jahre Bericht zu erstatten.
2.2 Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
Zum Schutz der europäischen Regional- und Minderheitensprachen wurde zudem die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen entwickelt. Ihr Ausgangspunkt ist das unveräußerliche Recht der Menschen, sich im privaten und öffentlichen Leben ihrer eigenen Regional- und Minderheitensprache zu bedienen.
Mit der Charta sollen traditionell in einem Vertragsstaat gesprochene Minderheiten- und Regionalsprachen als bedrohter Aspekt des europäischen Kulturerbes geschützt und gefördert werden.
Für die Umsetzung der Sprachencharta sind im Bundesstaat vor allem die Länder und ist nur in geringem Umfang der Bund zuständig.
Durch Gesetz vom 9. Juli 1998 hat der Deutsche Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates die Charta angenommen; sie trat am 1. Januar 1999 in Deutschland in Kraft. Die Sprachencharta gilt in Deutschland als Bundesgesetz, das nachrangiges Recht – einschließlich der Landesgesetze – bricht und gegenüber sonstigen Bundesgesetzen grundsätzlich als das speziellere Gesetz anzuwenden ist.
Im Rahmen der sogenannten Implementierungskontrolle müssen die Vertragsstaaten innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dem Generalsekretär des Europarates umfassende und vollständige Informationen über die Umsetzung geben. Anschließend erhält der Europarat ab 2021 alle fünf Jahre einen Bericht sowie alle 2,5 Jahre einen sogenannten Zwischenbericht.
3. Sonstiges Bundesrecht
Daneben enthalten auch das Bundeswahl- sowie das Parteiengesetz Bestimmungen zum Schutz und zur Förderung der nationalen Minderheiten.
3.1 Bundeswahlgesetz
Die sogenannte Fünfprozentklausel, nach der bei Bundestagswahlen nur die Parteien berücksichtigt werden, die mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten oder die in mindestens drei Wahlkreisen ein Direktmandat errungen haben, gilt für die Parteien der nationalen Minderheiten nicht (§ 6 Abs. 6 S. 2 BWahlG).
3.2 Parteiengesetz
Nach dem Parteiengesetz des Bundes werden die Parteien der nationalen Minderheiten bei der staatlichen Finanzierung sowie beim Sammeln ausländischer Spendengelder privilegiert (§ 18 Abs. 3 und 4, § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 1b ParteienG).
4. Europäische Union
Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU) verbietet in Art.1 Abs.1 Diskriminierungen auf Grund der Sprache oder der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit. Zudem verpflichtet die Union sich in Art. 22 der Charta zur Achtung der Kulturen, Religionen und Sprachen.
5. Sonstiges internationales Recht – Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
Bei der OSZE wurde im Jahr 1992 die Position des Hohen Kommissars für Nationale Minderheiten eingerichtet. Dessen Aufgabe besteht insbesondere darin, schwelende ethnische Konflikte frühzeitig zu erkennen und präventive Maßnahmen zur Konfliktverhinderung zu ergreifen.